, Zeugenbericht

Lorena Gulino

1.     Warum engagierst du dich für TESORO?
– persönlich als Tochter von Personen, die in den 1960er-Jahren in die CH migrierten
– analytisch als Kulturanthropologin
– politisch als kritisch denkende Person

2.     Welche persönlichen Erfahrungen verbindest du mit den Anliegen von TESORO?
Jahrelang habe ich mich mit Migrationsforschung befasst, dadurch konnte ich auch meine eigenen Erfahrungen einordnen. Migrationsforschung und andere Bereiche setzen Sesshaftigkeit unhinterfragt als Norm voraus, dies war eine wichtige Erkenntnis für mich. Ebenso wie die Tatsache, dass die jeweiligen Ausländergesetze sich hierarchisierend und somit stabilisierend auf das Klassengefüge eines Landes auswirken. Über den Aufenthaltsstatus entstehen Ein- und Ausschlüsse, die daraus resultierenden Kategorien von Ausländisch vs. Einheimisch, Expats vs. Unqualifiziert u.v.m. werden in Politik, Arbeitswelt und im Alltag ausgenutzt, um die einen auszubeuten, während andere an Macht gewinnen. Die Konkurrenz unter den Prekarisierten wird dadurch befördert. Migrationsgesetze sind strukturelle Instrumente, die Wirtschaftsinteressen dienen und die gesellschaftlichen Ungleichheiten festschreiben. Diese Verflechtungen prägen das Leben von Individuen. Einzelschicksale und System sind eng verwoben. Die gesetzlichen Verflechtungen und Auswirkungen des Saisonnier-Statuts bezeugen heute die traumatisierten Menschen, die über ihre Erlebnisse sprechen.

3.     Was wünschst du dir für die zukünftigen Generationen?
Migration gehört zum Leben. Ich wünsche mir für die nahe und weitere Zukunft, dass strukturell gewollte Setzungen von der Wissenschaft systematisch offengelegt werden, damit diese ins Bewusstsein der Individuen treten können und dass in kollektiven Diskussionen trotz spaltenden Narrativen neue Handlungsweisen bestimmt werden können.